Sales-Assisted Digital: So bestellen B2B-Kunden online

Sales-Assisted Digital im B2B: Warum Telefonbestellungen kein Zukunftsmodell sind

Wer im B2B-Vertrieb groß geworden ist, hat gelernt, dass Beziehungen am Telefon entstehen und Aufträge dort geschrieben werden. Dieses Bild ist verständlich, denn über Jahre hat es zuverlässig funktioniert. In Gesprächen höre ich daher häufig den Satz: Unsere Kunden wollen telefonisch bestellen. Gleichzeitig zeigen Erfahrungen aus Projekten und branchenweite Analysen ein anderes Bild: Das Vertrauen in Remote- und Self-Service-Käufe ist massiv gestiegen, selbst bei hohen Bestellwerten. Entscheidend ist weniger der Kanal als die Reibung im Prozess. In diesem Beitrag zeige ich, warum Sales-Assisted Digital der praktikable Mittelweg ist, wie Sie Ihren digitalen Bestellprozess konsequent vereinfachen und welche Kennzahlen wirklich zählen, um B2B E-Commerce messbar erfolgreich zu machen.

Der Mythos Telefon – und was Ihre Kunden wirklich wollen

Der Wunsch nach Telefonbestellungen ist selten ein Kundenwunsch, sondern meist ein Spiegel unserer internen Gewohnheiten. Wenn etwas lange funktioniert hat, fällt Veränderung schwer, zumal Vertriebsteams mit Erfahrung zurecht stolz darauf sind, komplexe Deals persönlich zu gestalten. Doch die Realität hat sich verschoben. Dieselben Menschen, die privat in Minuten Ersatzteile online bestellen, erwarten im Arbeitskontext die gleiche Geschwindigkeit, Transparenz und Verfügbarkeit. Es ist daher nicht der Kunde, der bremst, sondern unser Denken in alten Mustern.

Hinzu kommt, dass der Telefonkanal die Illusion von Kontrolle bietet, während er in Wahrheit wichtige Informationen versteckt. Preise, Verfügbarkeiten, Ersatzartikel und Bestellhistorien werden im Gespräch ausgetauscht, aber nicht dauerhaft dokumentiert, durchsuchbar gemacht oder skalierbar verfügbar. Der Kunde muss erneut anrufen, der Vertrieb reproduziert Informationen, und beide Seiten verlieren Zeit. Ein sauber aufgesetzter digitaler Bestellprozess nimmt diese Reibung heraus. Er macht Standardvorgänge selbstständig möglich und schafft damit Raum, in dem der Vertrieb wirklich wertstiftend beraten kann. Genau hier setzt Sales-Assisted Digital an: nicht Telefon statt Digital, sondern beides kombiniert – in der richtigen Reihenfolge.

Was Sales-Assisted Digital wirklich bedeutet

Sales-Assisted Digital ist kein weiterer Buzzword-Trend, sondern ein klarer Betriebsmodus. Er verbindet Self-Service-Funktionalitäten des B2B E-Commerce mit aktiver, situativer Unterstützung durch den Vertrieb. Der Kunde erledigt wiederkehrende Standardaufgaben digital, erhält bei komplexen Fragen oder Sonderfällen jedoch schnelle Hilfe – idealerweise direkt im Flow des Bestellens, etwa via Chat, Co-Browsing oder einen gezielten Rückruf aus dem System heraus. Das Ergebnis ist ein Prozess, der effizient wirkt, ohne unpersönlich zu werden.

Kern dieses Ansatzes ist die bewusste Rollenverteilung. Der digitale Bestellprozess übernimmt, was sich standardisieren lässt: Suchen, Vergleichen, Konfigurieren, Wiederbestellen, Bezahlen. Der Vertrieb konzentriert sich auf wirtschaftlich relevante Situationen: Produktalternativen mit technischen Implikationen, Verhandlungsrahmen, Lieferprioritäten, Cross- und Upselling. So entsteht ein kundenzentriertes Erlebnis mit hoher Autonomie und dennoch fühlbarer Betreuung. Die Erfahrung aus Projekten zeigt: Wenn Kunden können, bestellen sie digital. Wenn sie stocken, wollen sie Hilfe – aber bitte ohne Medienbruch. Sales-Assisted Digital liefert genau das.

Drei Prioritäten, die den Unterschied machen

Eine erste Priorität ist die Schnellbestellung. Viele B2B-Einkäufer kennen die gewünschten Artikelnummern und Mengen. Sie möchten diese nicht in zehn einzelnen Formularfeldern eintragen, sondern in einem einzigen Feld einfügen, als CSV hochladen oder aus der Zwischenablage einspielen. Eine intelligente Schnellbestellung prüft Syntax, validiert Verfügbarkeiten und schlägt bei Fehlern plausible Alternativen vor. Wer die Hürde des Tippens senkt, reduziert Bestellabbrüche und steigert zugleich die Zufriedenheit. Das ist gelebter B2B E-Commerce: effizient, verlässlich, ohne Schleifen.

Die zweite Priorität ist das Re-Order aus der Bestellhistorie. Wiederholkäufe sind im B2B die Regel, nicht die Ausnahme. Kunden sollten vergangene Aufträge segmentieren, filtern und mit einem Klick erneut in den Warenkorb legen können – optional mit automatischer Aktualisierung von Preisen, Lieferzeiten und Verpackungseinheiten. Idealerweise lassen sich häufige Warenkörbe als Vorlagen speichern. So wird aus einer mühsamen Rekonstruktion ein planbarer Ablauf. Der digitale Bestellprozess übernimmt die Routine, der Vertrieb gewinnt Zeit für strategische Gespräche.

Die dritte Priorität ist eine robuste Ersatzteilsuche. Im Service zählt Geschwindigkeit doppelt, denn Stillstandskosten sind real. Eine gute Lösung führt über eindeutige Identifikatoren wie Seriennummern, unterstützt visuelle Explosionszeichnungen, bietet Filter für Baujahre und Varianten und mappt Nachfolgerteile sauber auf Altbestand. Im Idealfall ergänzen Knowledge-Artikel den Kontext: Einbauhinweise, Kompatibilitäten, Verschleißintervalle. Gerade hier zeigt sich der Mehrwert von Sales-Assisted Digital: Wenn etwas unklar ist, tritt der Vertrieb direkt im Interface hinzu, statt den Kunden in den Telefonkanal zu zwingen.

Metriken, die zählen: Digitaler Bestellanteil und AOV

Ohne Messung bleibt jede Transformation eine Meinung. Zwei Kennzahlen schaffen Klarheit. Erstens der digitale Bestellanteil als Anteil des Auftragseingangs, der über den Online-Kanal entsteht. Diese Metrik zeigt, ob Ihre Self-Service-Funktionen wirklich genutzt werden. Sie wird besonders aussagekräftig, wenn Sie sie nach Kundensegmenten, Sortimentsclustern und Warenkorbgrößen aufschlüsseln. Ein Anstieg in den Kernsortimenten ist ein starkes Signal, dass Ihr B2B E-Commerce operativ trägt und nicht nur als Katalog dient.

Zweitens der Average Order Value digital vs. offline. Hier zeigt sich, ob der digitale Bestellprozess verlässlich und verkaufsstark ist. Steigt der digitale AOV, sprechen viele Indikatoren für gute Produktempfehlungen, transparente Staffelpreise und sinnvolle Warenkorbfunktionen. Weicht der digitale AOV negativ ab, lohnt ein Blick auf Hürden wie Mindestbestellwerte, Lieferbedingungen oder unklare Rabatte. In beiden Fällen liefert Sales-Assisted Digital einen Hebel: Der Vertrieb kann gezielt in Warenkörbe mit Beratungspotenzial eintreten, Cross- und Upsell anstoßen und so den digitalen Kanal stärken, statt ihn zu kannibalisieren.

Veränderung beginnt im Kopf: Rolle des Vertriebs im digitalen Modus

Die größte Hürde ist selten die Technologie, sondern die Rollenklärung. Vertriebsteams sind nicht weniger wichtig, sondern anders wichtig. Sie werden vom Gatekeeper zum Enabler, vom Informationslieferanten zum Lösungsarchitekten. Das verlangt eine klare Kommunikation: Der Online-Shop ist kein Konkurrent, sondern das Werkzeug, das Routineaufgaben automatisiert und den Weg zu wertschöpfender Beratung freimacht. Wer das im Team verankert, erlebt etwas Bemerkenswertes: steigende Kundenzufriedenheit, sinkende Reibungsverluste und mehr Zeit für echte Chancen.

Praktisch heißt das, Vertriebsprozesse mit dem Shop zu verzahnen. Angebotsnummern verlinken zurück in den Warenkorb, Rückfragen entstehen direkt im Kontext des Artikels, und Sonderkonditionen werden transparent abgebildet. Schulungen fokussieren weniger auf Produkttabellen und mehr auf Prozesskompetenz: Wie nutze ich Co-Browsing, wie deute ich Warenkorbsignale, wann rufe ich aktiv an? Dadurch entsteht das, was Sales-Assisted Digital verspricht: ein flüssiges Erlebnis ohne Brüche, in dem digitale Selbstbestimmung und persönliche Expertise zusammengehören.

Fazit: Digital bestellen lassen, persönlich gewinnen

B2B-Kunden wollen nicht telefonieren, sie wollen verlässlich und schnell eine Aufgabe erledigen. Wenn sie digital bestellen können, tun sie es – auch bei komplexen Produkten und hohen Warenkörben. Der Schlüssel liegt in der konsequenten Vereinfachung des digitalen Bestellprozesses und in einer aktiven, kontextnahen Vertriebsunterstützung. Sales-Assisted Digital verbindet beides und macht aus vermeintlichen Gegensätzen ein stimmiges Gesamterlebnis. Wer Schnellbestellung, Re-Order und Ersatzteilsuche sauber umsetzt und den digitalen Bestellanteil sowie den AOV laufend misst, verschiebt den Schwerpunkt vom Kanaldenken hin zur Ergebnisorientierung. Am Ende gewinnen alle: Kunden durch Geschwindigkeit und Transparenz, Vertrieb durch Fokus auf Wertschöpfung, Unternehmen durch Skalierbarkeit und messbares Wachstum im B2B E-Commerce.

Nächste Schritte: Vom Telefon-First zu Sales-Assisted Digital

Beginnen Sie mit einem ehrlichen Prozess-Check. Öffnen Sie Ihren Shop und versuchen Sie, einen typischen Warenkorb in unter drei Minuten zu bestellen. Prüfen Sie anschließend, ob Re-Order ohne Suchen möglich ist und wie schnell Sie ein Ersatzteil über Seriennummer oder Explosionszeichnung finden. Wenn es hakt, priorisieren Sie diese drei Felder und führen Sie eine kurze Roadmap ein: zweiwöchige Sprints, klar definierte Akzeptanzkriterien, begleitendes Training für das Vertriebsteam. Parallel richten Sie das Monitoring für digitalen Bestellanteil und AOV ein und legen Schwellen fest, ab denen der Vertrieb proaktiv unterstützt. So wird Sales-Assisted Digital nicht zur Präsentation, sondern zur Praxis – konkret, messbar und wirksam.

Über den Autoren

Bild von Matthias Thürling

Matthias Thürling

Gründer & Geschäftsführer

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